[NACHLESE] Die Zukunft der Arbeit trotz und mit Corona

Am 10.11.2020 fand um 19 Uhr die gut besuchte Online- und Livestream-Veranstaltung „Die Zukunft der Arbeit trotz und mit Corona“ der Ratsfraktion und der Regionsfraktion der LINKEN statt. Diskussionsteilnehmer*innen waren Professor Dr. Heinz J. Bontrup, Ökonom aus der Memorandum-Gruppe, Stavros Christidis, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender bei Volkswagen, Lena Melcher, Geschäftsführerin der Gewerkschaft für Nahrung-Genuss-Gaststätten Region Hannover, (NGG), Ralf Oberheide, Betriebsratsvorsitzender der Post sowie Diether Dehm (DIE LINKE), MdB, mittelstandspolitischer Sprecher der linken Bundestagsfraktion.

Moderiert wurde die Veranstaltung vom Gastgeber und Fraktionsvorsitzenden der Ratsfraktion der LINKEN Dirk Machentanz. Die Co-Moderation erfolgte durch die Fraktionsvorsitzende der linken Regionsfraktion Jessica Kaußen.

Nach einer kurzen Ansprache und Begrüßung des Fraktionsvorsitzenden Dirk Machentanz, begann die Diskussionsrunde mit einem themenspezifischen Input-Referat Professor Bontrups. Er erläuterte die Problematik fehlender Produktion durch die Corona-Pandemie. Ohne Produktion gibt es auch kein wirtschaftliches Wachstum und Einkommen. Durch Deficit- Spending, also Konzern- und Staatsrücklagen für Notsituationen, wie die Pandemie, kann ein Teil der Ausfälle abgefedert werden, aber nicht alles. Schon jetzt beträgt die Staatsverschuldung coronabedingt 1,5 Billionen Euro. Deficit-Spending wurde schon von John Maynard Keynes propagiert. Laut Bontrup sind die Auswirkungen auf den gesellschaftlichen Mittelstand verheerend. Noch nie gab es so viele reiche, aber auch selten so viele arme Menschen auf der Welt. Laut Bontrup sollte das Volk als Souverän eine Änderung der Verhältnisse herbeiführen, um das Investitionsmonopol aufzubrechen, das sieht er allerdings in Deutschland so in nächster Zeit nicht. Vielmehr sollte es auf parlamentarischem Wege einen Schulterschluss der Parteien DIE LINKE und der SPD sowie der Gewerkschaften geben, um das Investitionsmonopol der Megakonzerne zu brechen. Die Gewerkschaften alleine schaffen es nicht, dieses Unterfangen in die Tat umzusetzen. Bei der Partei Bündnis 90/Die Grünen sieht Bontrup kein Wollen und somit keine Möglichkeit für eine Zusammenarbeit auf dieser zielführenden Ebene.

Der mittelstandspolitische Sprecher der LINKEN im Bundestag Diether Dehm betonte, dass durch die derzeit vorherrschenden Umverteilungsprozesse zugunsten des vorherrschenden Kapitals eine Kapitalvernichtung zu Lasten des Mittelstandes stattfindet. Der wirtschaftliche Tod vieler Kleinunternehmen ist die Folge, da diese über keine Kapitaldeckung und somit auch über kein Eigenkapital verfügen. Der ökonomische Bankrott ist dann die Folge.

„Spalte und herrsche“, so beschreibt Lena Melcher, Geschäftsführerin der NGG, die Verhältnisse bei der hannoverschen Gilde-Brauerei. Die Spaltung der Brauerei in vier Teile hat laut Melcher auch zu einer Spaltung der Belegschaft geführt. Arbeitnehmer*innenrechte sollen so aufgeweicht und die Arbeitnehmer*innen eingeschüchtert werden. Auf Kosten der Belegschaft sollen Arbeitsprozesse weiter automatisiert und technisiert werden, was wiederum Arbeitsplätze kostet. „Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren!“, so Lena Melchers Fazit frei nach Bertolt Brecht.

Ralf Oberheide, Betriebsratsvorsitzender der Post, berichtet ebenfalls von Transformationsprozessen bei der Deutschen Post AG, die auf Kosten der Arbeitnehmer*innenrechte hinauslaufen. Die Deutsche Post als Logistik- und Zustellunternehmen stellt auch immer eine Klammer zum Handel dar. Lohndumpingunternehmen, wie Amazon, bedienen mittlerweile den Handel mit Massenprodukten, die günstig gefertigt und an die Kundinnen verschickt werden. Das Erfolgsgeheimnis von Amazon ist eine Billigproduktion die auf Technisierungs- und Automatisierungsprozessen beruht, mit Hilfe derer immer weniger Arbeitnehmer*innen zu immer günstigeren Konditionen beschäftigt werden. Da die Deutsche Post ein staatliches Unternehmen ist, wäre es Aufgabe des Parlaments, eine weitere Transformation dieser auf Kosten der Arbeitnehmer*innen zu unterbinden. Die Realität sieht leider anders aus.

Stavros Christidis, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender bei Volkswagen in Hannover-Stöcken berichtet beispielsweise von für den Volkswagen-Konzern günstigeren und profitsteigernden Produktionen des VW-Amarok in der Türkei, wo dieser mit viel geringeren Lohnkosten als in Deutschland gefertigt wird und dem Megakonzern immense Gewinne beschert. Die Arbeitnehmer*innen sind bei Volkswagen laut Christidis, immer weniger gewerkschaftlich organisiert. Es sei seine und die Aufgabe weiterer Gewerkschaftler, so viele Arbeitnehmer*innen wie möglich auf eine Revitalisierung oder überhaupt Vitalisierung ihres gewerkschaftlichen Engagements hinzuweisen. Früher, so Christidis, war es selbstverständlich, unter der Ägide Willy Brandts als Kanzler gewerkschaftlich organisiert zu sein, heute entscheiden sich viele Arbeiter*innen bei Volkswagen im Extremfall nur noch zwischen der CDU oder der AFD. Fehlanzeige herrscht dagegen als Aktivposten für Arbeitnehmer*innenrechte bei Gewerkschaften einzutreten. Die politische Positionierung des ehemaligen Industrieproletariats hat sich somit verschoben.

Einig waren sich am Ende einer sehr inhaltsreichen Veranstaltung alle Diskutanten, dass nur eine konzertierte Aktion der LINKEN, der SPD und der Gewerkschaften für eine Brechung des Kapitalmonopols und der Kapitalakkumulation der Megakonzerne auf Kosten der Arbeitnehmer*innen und ihrer Rechte sorgen kann. Bezugnehmend auf die Veranstaltung „Rot-Rot von Unten“, war die jetzige Veranstaltung eine Fortführend und Komplettierung dessen, was in der vorherigen Veranstaltung als Fazit stand, nämlich ein wirklich rot-rotes Bündnis in Verbund mit den Gewerkschaften für einen Kampf um wirkliche Arbeitnehmer*innenrechte und eine Sozialpolitik, die diesen Namen auch tatsächlich verdient!

Dirk Machentanz dankte den Diskutanten und Teilnehmer*innen nach zwei Stunden themenintensiver Diskussion.

 

Der Link zum Youtube-Video: https://youtu.be/AuVfKw7N_6c