Ratsgruppe Aktuell (1/2019)

Ratsfraktion

Die erste Ausgabe der "Ratsgruppe Aktuell" im neuen Jahr mit Artikeln zum Haushalt, Mietspiegel, Polizeigesetz und der Seenotrettung.

Haushalt: „Rat muss deutlich mehr Geld für den Bau von Sozialwohnungen bereitstellen!“

Das Ampelbündnis aus SPD, Grünen und FDP hat den Doppelhaushalt für die nächsten beiden Jahre beschlossen – gegen die Stimmen der Gruppe LINKE & PIRATEN. Damit haben die Ampelpolitiker/innen festgelegt, wofür sie städtisches Geld geben.

„Obwohl die Steuereinnahmen ein Rekordniveau erreicht haben, werden kaum Rücklagen für wirtschaftlich schlechte Zeiten gebildet“, mahnte Gruppenvorsitzender Dirk Machentanz im Rat. Er forderte außerdem, das Geld gezielt einzusetzen, anstatt nach dem „Gießkannenprinzip“ zu verteilen.

Großen Nachholbedarf sieht die Ratsgruppe beim Bau neuer Wohnungen. Hannover belegt hier den drittletzten Platz im bundesweiten Großstädtevergleich. Bei Sozialwohnungen ist gar ein deutlicher Aderlass zu beklagen. Laut Plänen der Stadt sollen pro Jahr 300 neue Sozialwohnungen bezugsfertig sein. Im Jahr 2018 hat die Stadt aber nur 120 Sozialwohnungen bauen lassen. Gleichzeitig sind für 750 Haushalte die Mietpreisbindungen entfallen. Im Jahr 2019 werden weitere 700 Wohnungen betroffen sein. Der Mieterbund schlägt Alarm.

Damit der Bau von Sozialwohnungen auf Touren kommt, will die Ratsgruppe der städtischen Wohnungsbaugesellschaft hanova WOHNEN 20 Millionen Euro mehr Eigenkapital zugestehen. Das Ampelbündnis hingegen beharrt auf die 2020 fällige Gewinnausschüttung in der Höhe von 20 Millionen Euro der hanova WOHNEN an die Stadt. „Das ist sehr bedauerlich, weil die hanova WOHNEN dieses Geld für den Bau von preisgünstigen Mietwohnungen gerade in der Niedrigzinsphase dringend braucht“, betonte Machentanz. Weitere Forderungen der Ratsgruppe: Die Stadt soll mindestens 30 Prozent Sozialwohnungen in Neubaugebieten errichten. Die Hälfte davon sollen Belegrechtswohnungen sein, bei denen eine Mieterin oder ein Mieter benannt werden darf. Würde das Ampelbündnis die Forderungen von LINKEN & PIRATEN umsetzen, hätte das auch einen dämpfenden Einfluss auf die jährlichen Mietpreiserhöhungen von durchschnittlich mindestens drei Prozent in Hannover. Um gezielt Obdachlosen zu helfen, fordert die Ratsgruppe ein Gebäude, in dem Obdachlose ihre Wohnungen zusammen mit Fachleuten selbst planen und einrichten können.

Erst stemmte sich das Ampelbündnis gegen den Bau eines Freibads für das Fössebad in Limmer. Nach langem Druck auch von der Gruppe LINKE & PIRATEN sind nun Planungsgelder für ein Außenbecken in den Haushalt eingestellt worden. Das aber reiche den Menschen in Linden und anderswo nicht, wusste Dirk Machentanz zu berichten. „Sie wollen Klarheit für ein Hallenbad mit Freibad.“ Die Ratsgruppe beantragte, Geld für den Bau eines Freibads mit mindestens 500 Quadratmeter Wasserfläche zu geben. Zugleich solle der alternative Musikclub Béi Chéz Heinz am angestammten Standort im Keller des Fössebads bleiben, heißt es im Haushaltsantrag. Auch diesen Antrag lehnte das Ampelbündnis ab.


Rat will nicht gegen umstrittenes Polizeigesetz vorgehen

Der Rat hat mit den Stimmen der anderen Parteien einen Antrag der Ratsgruppe LINKE & PIRATEN und der „Fraktion“ gegen das geplante niedersächsische Polizeigesetz abgelehnt. Der Oberbürgermeister solle sich bei der Landesregierung dafür einsetzen, dass das Gesetz nicht beschlossen und umgesetzt wird, heißt es im Antrag der beiden Oppositionsfraktionen. Sie befürchten „schwerwiegende“ Eingriffe in die Grundrechte. Auch Rechtswissenschaftler/innen und Bürgerrechtler/innen schlagen Alarm. Die Polizei würde mit dem neuen Gesetz deutlich mehr Befugnisse erhalten. Sie kann Verdächtige, sogenannte „Gefährder“, benennen, überwachen und bis zu 74 Tage einsperren. Auch andere Sanktionen, wie elektronische Fußfesseln, können dann gegen Menschen verhängt werden, ohne dass diese eine Straftat begangen haben. Um Verdächtige auszuspähen, soll die Polizei Spionagesoftware, sogenannte „Staatstrojaner“, einsetzen dürfen. Befürworter/innen der geplanten Gesetzesverschärfungen behaupten, all das würde der Terrorabwehr und so der Sicherheit der Einwohner/innen dienen. LINKE & PIRATEN bezweifeln, dass diese Maßnahmen für mehr Sicherheit sorgen, indem sie die Freiheit einschränken.

Die derzeitigen Instrumente der Polizei seien völlig ausreichend, sagt Thilo Weichert, ehemaliger Datenschutzbeauftragter von Schleswig-Holstein. Die Ratsgruppe befürchtet, dass künftig vermehrt unbescholtene Bürger/innen und politische Aktivist(inn)en ins Visier der Polzeigebehörden geraten.

Nach der heftigen Kritik und verfassungsrechtlichen Bedenken, die auf Demonstrationen und von Fachleuten geäußert wurden, hat Innenminister Boris Pistorius (SPD) minimale Korrekturen am Gesetzentwurf angekündigt. Über den Einsatz von elektronischen Fußfesseln, Kontaktverboten oder Aufenthaltsvorgaben soll nun die Polizei nicht allein ohne Zustimmung einer Richterin oder eines Richters entscheiden dürfen. Die Neufassung des Polizeigesetzes ist ein zentrales Projekt der Großen Koalition aus SPD und CDU im Landtag.


Mietspiegel mangelhaft: Interessen der Mieter/innen kommen zu kurz

Der Rat hat bei Enthaltung der Ratsgruppe LINKE & PIRATEN den neuen Mietspiegel für Hannover beschlossen. Danach ist die sogenannte ortsübliche Vergleichsmiete in den vergangenen zwei Jahren um durchschnittlich 6,1 Prozent auf 6,91 Euro gestiegen. Es handelt sich um die monatliche Nettokaltmiete pro Quadratmeter. 2017 lag der Wert noch bei 6,52 Euro. Die ortsübliche Vergleichsmiete gibt den Rahmen für Mieterhöhungen vor. Bei Abschluss eines neuen Mietvertrags dürfen Vermieter/innen in der Regel noch einmal maximal zehn Prozent mehr verlangen.

LINKE & PIRATEN kritisieren, dass der Mietspiegel einseitig zu Lasten der Mieter/innen geht. Nicht nur, weil die Vermieter/innen die Mieten deutlich über der Inflationsrate anheben können. Ratsfrau Brigitte Falke (LINKE) fordert klar definierte Mindeststandards, die in den Wohnungen einzuhalten sind. Der Mietspiegel gebe etwa keine Auskunft darüber, ob ins Bad eine Dusche oder eine Badewanne als Mindestausstattung gehöre, erläutert sie. „So etwas muss geklärt werden. Werden dann solche Mindeststandards unterlaufen, oder werden Instandhaltungspflichten systematisch vernachlässigt, muss das im Mietspiegel als Wertminderung der Wohnung berücksichtigt werden. Dann können Mieterinnen und Mieter einen Abschlag bei der Miete vornehmen“, betont Falke. Es gebe unzählige Berichte über defekte Gas- und Wasserleitungen, ausfallende Heizungen, Schimmel, undichte Dächer und andere Mängel. Warmes Wasser in der Küche sei zudem kein Ausstattungsmerkmal, das laut Mietspiegel den Wert der Wohnung im Sinne der Vermieter/innen erhöht, sondern eine Selbstverständlichkeit, unterstreicht die Kommunalpolitikerin.

Für den Mietspiegel 2019 hat eine Kommission rund 5700 Mieten ausgewertet. Die Vergleichsmieten weichen je nach Baujahr einer Immobilie, Lage und Ausstattung der Wohnung vom Durchschnittswert ab. Der Spitzenwert liegt bei 14 Euro, fällig für eine später als im Jahr 2010 gebaute Wohnung mit mindestens 85 Quadratmeter Fläche in guter Wohnlage, wenn zahlreiche Ausstattungskriterien erfüllt sind. Als gute Wohnlage gelten die innenstadtnahen Quartiere, der waldnahe Bereich um die Eilenriede oder Isernhagen-Süd.


Hannover soll mehr in Seenot geratene Menschen aufnehmen

Geht es nach dem Willen der Ratsgruppe LINKE & PIRATEN, wird sich die Landeshauptstadt als „sicherer Hafen“ erklären, um in Seenot geratenen Menschen ein sicheres Ankommen zu ermöglichen. Die Stadt soll laut Gruppenantrag mehr Flüchtlinge aufnehmen, damit sie nicht im Mittelmeer ertrinken und so ein Zeichen für Menschlichkeit setzen. Bisher weigert sich die italienische Regierung, die Menschen an Land zu lassen und begründet das mit der Abschottungspolitik Europas. Es gebe niemanden, der sie aufnehmen will, heißt es. „Das stimmt nicht“, sagt Gruppenvize Bruno Adam Wolf (PIRATEN). In Deutschland haben sich schon zahlreiche Kommunen zum „sicheren Hafen“ erklärt, zuletzt Braunschweig. Hannover wäre also nicht allein, wenn der Gruppenantrag eine Mehrheit findet. „Das wäre auch ein deutliches Zeichen gegen die steigende Fremdenfeindlichkeit und den Hass gegenüber hilfsbedürftigen Menschen“, betont Wolf. Das Ampelbündnis mauert bisher und sieht Beratungsbedarf.

Für geflüchtete Menschen in Seenot wird es immer schwieriger, sichere Orte zu finden, um der Todesgefahr zu entgehen. Zahlreiche internationale Abkommen schreiben zwingend vor, diesen Menschen zu helfen. Europäische Regierungen stellen dagegen nicht nur zum Teil jede staatliche Seenotrettung ein, sondern kriminalisieren Seenothelfer/innen und verhindern deren Arbeit.

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