Wieder zahlen weibliche Pflegekräfte die Hauptlast der Sorgearbeit

Kathrin Otte, KV Lüneburg

Ein Beitrag der Genossin Kathrin Otte aus dem KV Lüneburg...

Pflege ist „Frauensache“ in Deutschland! 80 % aller Pflegekräfte sind Frauen. 75 % aller zu Pflegenden werden von Pflegenden Angehörigen zu Hause versorgt. Davon sind 95% Frauen. Diese Frauen beenden ihre Sorgearbeit damit aber bei weitem nicht. Sie sind für die Versorgung ihrer Kinder und ihrer Männer immer noch eine selbstverständlich einkommenslose Quelle der Lebensproduktion und der Lebenserhaltung...

...Viele weibliche Pflegekräfte arbeiten deshalb nur in Teilzeit, akzeptieren schlechte Löhne und eine noch schlechtere Rente, organisieren sich nicht in Gewerkschaften – um sich immer eher um das Wohl anderer zu kümmern.

Längst bevor das Corona-Virus uns allen klar machte, wie verletzlich wir Bürger*innen einer
solchen – im Übrigen lang erwarteten - Pandemie  ausgeliefert sind, waren die
Arbeitsverhältnisse für Pflegekräfte in Deutschland bereits miserabel. Die Ökonomisierung
des Gesundheits- und Pflegewesens - spätestens mit der Pflegeversicherung 1995 - hat
ausgerechnet die Träger*innen der pflegerischen Versorgung in fast unerträgliche Zwänge
gesteckt. Heute ist eine Pflegkraft für 13 Patient*innen zuständig, in Norwegen sind es 4, in
Schweden 6.  
Statt bedürfnisorientiert mit den zu Pflegenden umzugehen, wie es ihre Berufsausbildung
gelehrt hat, müssen Pflegekräfte die Bedürfnisse ihrer Patient*innen massiv ignorieren –
schlicht, weil sie keine Zeit haben. Sie werden zu Dokumentationen für die Fallpauschalen
gezwungen, die nicht immer unbedingt der Wahrheit entsprechen. Ständig werden sie auf
ihren Beitrag zu den Fallpauschalen für die Finanzierung ihres Arbeitsplatzes hingewiesen -
auch unter Druck gesetzt. Oft ist dieses tägliche zerrissen werden eine Frage von Leben und
Tod. Schwerwiegende Entscheidungen, welchen Notruf zuerst beantworten führen zu
schweren psychischen Belastungen. Eine ausreichende Bezahlung für eine derartig
überbeanspruchende Tätigkeit – Fehlanzeige. Dass ein Aushalten dieser Bedingungen eher in
die Depression, als in die Rebellion führt, liegt nahe.

In der Coronakrise wurden Pflegekräfte ohne Masken, ohne Schutzkleidung in die
größtmögliche Ansteckungsgefahr gebracht.  Noch vor wenigen Tagen waren ca. 8.102
Beschäftigte von medizinischen Einrichtungen an Corona infiziert, 72 % davon Frauen, 13
starben bis dahin, 4,6 % von ihnen lagen an in der Intensivstation mit und ohne
Beatmungsgeräte. Pflegekräfte treibt täglich die zusätzliche nagende Sorge um, das Virus in
ihre Familien zu tragen. Zeitgleich wurde das Arbeitsrecht für Pflegekräfte ausgehebelt. In
Nordrhein-Westfalen konnte gerade noch ein Gesetz gegen die Zwangsverpflichtung aller
Menschen mit Pflege-Examen durch breiten Widerstand abgewendet werden.  
Die Kommerzialisierung des Pflege- und Gesundheitswesens heißt: Kostendrücken bei den
Personalkosten. Diese machen 65% beispielsweise der Krankenhauskosten aus. Rendite
können die Investoren nur unter der Bedingung erzielen, dass die Lohnkosten runtergehen,
also möglichst wenige Pflegekräfte möglichst viel Arbeit leisten.  

 

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