AfD im Bundestag

Felicitas Weck, MdB

Liebe Genoss*innen,

unten und im Anhang die Übersicht meines Kollegen Gerd zur Sitzungswoche des Bundestages vom 3. Bis 5. März mit Blick auf die AfD.

Mit solidarischen Grüßen Felicitas

 

AfD im Bundestag
Sitzungswoche 3. bis 5. März 2021

"Rechtliche Schritte" wollte sich die AfD-Bundestagsfraktion in der letzten Sitzungswoche vorbehalten, sollte der von der LINKEN beantragte Berichtspunkt zu den "Entscheidungsgründen des BfV für die Einstufung der AfD als Verdachtsfall" in der Sitzung des Innenausschusses aufgerufen werden. Mit Presseberichten zu eben dieser Einstufung der AfD durch das BfV am Morgen der Sitzung, wurde diese leere Drohung der AfD obsolet. Eine Woche später wiederum verlangt die AfD-Fraktion eine Sondersitzung des Innenausschusses, um das "rechtswidrige Verhalten des BfV gegenüber der AfD" zu thematisieren - auch diesmal vergeblich.

Nach wie vor ist das BfV eine unverzichtbare Stütze der extremen Rechten. Nachdem das Amt Jahre brauchte, um die von Antifaschist_innen und Wissenschaft dokumentierte extrem rechte Ausrichtung der Partei in ihren Kategorien (extremistisch, verfassungsfeindlich) nachzuvollziehen, sorgen gezielte Durchstechereien aus Verfassungsschutz oder Innenministerium dafür, dass das Gericht eine Einstufung der AfD als Verdachtsfall vorerst untersagt. Ganz offensichtlich hat die AfD Sympathisant_innen in den Behörden, die der Partei nach Kräften helfen wollen...

Im Plenum buchstabiert die AfD das völkische Abc weiter vor sich hin. Nicht zum ersten Mal mit dem Bild des Fremden als Krankheitsüberträger. Das geht auch in einer Debatte zum Thema "Steuergelder gegen Missbrauch durch Konzerne schützen" (Antrag DIE LINKE, Drucksache 19/27190). Martin Sichert behauptet hier: "Der Chef des RKI hat verkündet, dass über die Hälfte der Fälle auf den Intensivstationen Muslime sind. Es sind nicht Migranten das Problem, sondern die Parallelgesellschaften, die mit der deutschen Sprache und deutschen Tugenden nichts anfangen können. Corona beweist einmal mehr: Multikulti ist krachend gescheitert! Das zeigen die Daten des RKI übrigens schon vor dem Lockdown. Im letzten Herbst war bekannt, dass sich in Asylbewerberheimen mehr als doppelt so viele Menschen anstecken wie in Schulen, Gastronomie und Hotellerie zusammen. Anstatt dass Sie zielgerichtet vorgehen mit Aufklärungskampagnen und die Asylbewerberheime leeren durch konsequente Abschiebung abgelehnter Asylbewerber, gängeln Sie lieber 83 Millionen Menschen und legen das ganze Land still." (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 215. Sitzung, S. 27077)

Die von der Bild-Zeitung verbreitete Aussage von RKI-Chef Wieler ist ohne empirische Grundlage (vgl. Faktencheck: 90 Prozent der Covid-Patienten mit Migrationshintergrund? (correctiv.org) <https://correctiv.org/faktencheck/2021/03/04/herkunft-von-covid-patienten-wird-in-deutschland-nicht-erfasst-bild-reisst-laut-rki-und-bethanien-klinik-aussagen-aus-dem-kontext/> ) - Wieler spricht von eigener Ansicht in drei Großstadtkrankenhäusern (ob er dort nach Religionszugehörigkeit gefragt hat, scheint unwahrscheinlich). Fakt ist, dass Ansteckungen eine Klassenkomponente haben und dass Menschen in prekären sozialen Verhältnissen gefährdeter sind. Insofern wäre ein solches Faktum eher Ausdruck strukturellen Rassismus' und nicht von Parallelgesellschaften. Die AfD will jedoch das Bild erzeugen, die von "deutschen Tugenden" angeblich freien Ausländer seien schuld an der Situation. Die Corona-Hochburgen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen dürften jedoch eher auf Menschen mit "deutschen Tugenden" zurückzuführen seien - und in Teilen auch auf AfD-Anhänger.

An anderer Stelle werden von der AfD auch schon mal dunkelhäutige Menschen aufgrund von Vitamin D-Mangel als Corona-Treiber angeboten. So heißt es in einem AfD-Antrag: "Auch dunkelhäutige Menschen entwickeln in nördlichen Breiten schnell einen Mangel, welcher wahrscheinlich einen starken Einfluss auf die Verbreitung der Corona-Infektion hat." (Vgl. Drs. 19/26223)

COVID-19 kann aber auch schon mal zu einer Umkehr von tradierten AfD-Positionen führen. So warnt Michael Espendiller für die AfD vor Reisebeschränkungen durch möglicherweise verlangte Impfnachweise: "Griechenland und Israel stellen bereits jetzt Impfzertifikate aus und haben vereinbart, sie gegenseitig anzuerkennen. Das heißt, nach Griechenland dürfen bald nur noch geimpfte Personen reisen. Während es jetzt die Aufgabe dieser Bundesregierung wäre, sich in der EU und international dafür starkzumachen, dass die Reisefreiheit unserer Bürger nicht an den Impfstatus geknüpft wird, macht sie lieber an vorderster Front mit. (...) Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, von ihren Plänen zur Einführung eines digitalen Coronaimpfpasses Abstand zu nehmen und sich auf allen nationalen und internationalen Ebenen vorbehaltlos für unsere Grundrechte einzusetzen." (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 214. Sitzung, S. 26951 f.) Nicht ganz ironiefrei bemerkt der Unions-Redner Alexander Kraus: "Ich habe mich ein bisschen gewundert, dass das gerade von der AfD kommt. Bei jeder Gelegenheit halten Sie die nationale Souveränität hoch. Heute haben Sie das Hohelied darauf gesungen, dass es eine Reisefreiheit für alle Bürger auf der Welt geben muss, was sonst nicht gerade Ihr Steckenpferd ist; um es mal freundlich auszudrücken. Sie sprechen dann in Ihrem Programm davon: Grenzschutz ist Bürgerschutz." (Ebd., S. 26952)

Während Provinzpolitiker der AfD die Corona-Impfung mit Zyklon B vergleichen (vgl. AfD-Mitglied vergleicht Corona-Impfung in KZ-Video mit Zyklon B - die Partei schließt ihn aus (rnd.de) <https://www.rnd.de/politik/afd-mitglied-vergleicht-corona-impfung-in-kz-video-mit-zyklon-b-die-partei-schliesst-ihn-aus-JZXJ7V6WSFGAPCAD5FA63STGMI.html> ) ist die Partei im Bundestag nach wie vor darum bemüht, Zweifel an Impfstoffen und der gesamten Impfstrategie zu säen. Ihre Anträge "Herdenimmunität durch flächendeckende Antikörpertests ermitteln - Unnötige Impfrisiken vermeiden" (Drucksache 19/27202) und "Strategie der Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus verbessern - Risikogruppen besser schützen" (Drucksachen 19/26223, 19/26632) laufen auf eine Beendigung aller Schutzmaßnahmen und die Ersetzung des Impfens durch Antikörpertests hinaus. Die AfD setzt weiterhin auf die von ihrem ehemaligen Pressesprecher umrissene Strategie des Chaos und der Verschlimmerung im Land - auch um den Preis von Menschenleben -, weil sie glaubt, hiervon profitieren zu können.

Völlig aus der Fassung geraten AfD-Abgeordnete immer dann, wenn ihr tradiertes Familien- und Geschlechterbild in Frage gestellt wird. So im Antrag der LINKEN mit dem Titel "Für das Leben - Das Recht auf körperliche und sexuelle Selbstbestimmung sichern, reproduktive Gerechtigkeit ermöglichen" (Drucksache 19/26980). Der gendersensible Sprachgebrauch im Antrag reizt Beatrix von Storch zu kaum zu überbietenden verbalen Formen der Verachtung: "In Ihrem Antrag reden Sie doch tatsächlich über - Zitat - 'Menschen, die schwanger werden können, in der überwiegenden Mehrzahl Frauen' oder über - Zitat - 'gebärfähige Körper, in der überwiegenden Mehrzahl Frauenkörper'. (...) Wer so was schreibt, hat schwerwiegende Probleme und braucht Hilfe. Wie müssen Sie Ihre eigenen Mütter hassen, um sie so zu entmenschlichen! Aber wahrscheinlich ist das auch schon das Ergebnis einer bindungslosen Erziehung, die Sie jetzt für das ganze Land einführen wollen. (...) Sie wollen eine Gesellschaft ohne Bindung, ohne Ehe, ohne Familie, ohne Verwandtschaft, ohne Herkunft, ohne Wurzeln, ohne Identität, kurz: Die Linke steht für die moralische Verkommenheit als Staatsprinzip. (...) Liebe Linke, Ihr gesamter Antrag ist nicht Ausdruck von Barbarei. Es ist viel schlimmer als Barbarei. Barbaren ehren ihre Eltern und lieben ihre Kinder. Eine so verkommene, rücksichtslose und kaputte Gesellschaft, wie die Linkspartei sie schaffen will, hat es in der Geschichte der Menschheit noch nie gegeben." (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 215. Sitzung, S. 27150 f.)

Zum Internationalen Frauentag entwerfen die AfD-Rednerinnen das Bild einer weitgehend geschlechterharmonischen Gesellschaft, die nur durch Migranten und Feministinnen vor Probleme gestellt wird. Bei Mariana Iris Harder-Kühnel hört sich das so an: "Wenn man von linker Seite hört, Corona habe zu einem Rückfall in alte Rollenbilder geführt, dann ist das eine untragbare Abwertung der Leistung der Frauen und Mütter in Deutschland. Genau das Gegenteil ist der Fall. Frauen sind die Heldinnen von Corona. Sie haben nicht nur in systemrelevanten Berufen, zum Beispiel in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Kindergärten und im Lebensmittelhandel, ihre Frau gestanden. Sie haben es auch geschafft, die Doppelbelastung durch die Betreuung ihrer Kinder zu Hause und die Berufstätigkeit zu stemmen. Sie und nicht die Regierung haben das Land am Laufen gehalten, und zwar zusammen mit tollen Männern und Vätern. (...) Dass diese Freiheiten der Frauen im Deutschland des 21. Jahrhunderts in Gefahr sind, das liegt an Ihrer Politik der unbegrenzten Migration aus archaischen Kulturkreisen. Durch Ihr politisch-korrektes kultursensibles Schweigen machen Sie sich mitschuldig - mitschuldig daran, dass die über Jahrhunderte hart erkämpften Freiheiten und Rechte der deutschen Frauen gefährdet sind." (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 216. Sitzung, S. 27218 f.)

Die Realität für die "Heldinnen von Corona" sieht anders aus und die Zusammenarbeit mit den "tollen Männern und Vätern" scheint sich für eine Mehrzahl ganz anders darzustellen, wie man einer Studie der Bertelsmann-Stiftung entnehmen kann (Corona: Traditionelle Aufgabenverteilung im Haushalt belastet Frauen stark (bertelsmann-stiftung.de) <https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2020/dezember/corona-traditionelle-aufgabenverteilung-im-haushalt-belastet-frauen-stark> ).

Nicole Höchst ergänzt die Sicht ihrer Kollegin um den Anspruch eines eigenen, wertkonservativen Angebots für die Frauen: "Zur Bigotterie der Reinstallation des gewalttätigen Steinzeitpatriarchats in Deutschland wurde alles gesagt. Nichts scheint heutzutage verachtenswerter als eine klassische Familie, in der die Frau einfach nur treusorgende Mutter ist. (...) Neue, wertkonservative Frauenrechtlerinnen braucht das Land. Sie treten mit allem, was sie haben, für das Frauenrecht ein, nicht ständig mit Männern konkurrieren zu müssen und die Wahlfreiheit zu haben, ob sie erwerbstätig und/oder Hausfrau und Mutter sein wollen." (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 216. Sitzung, S. 27223)

Alle Debatten können hier nachgelesen werden:
Plenarprotokoll 19/214 (bundestag.de) <https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19214.pdf>
Plenarprotokoll 19/215 (bundestag.de) <https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19215.pdf>
Plenarprotokoll 19/216 (bundestag.de) <https://dipbt.bundestag.de/dip21/btp/19/19216.pdf>