AfD im Bundestag

Felicitas Weck, MdB

Sitzungswoche 14. bis 16. April 2021

Die Pandemie wird laut Björn Höcke herbeigetestet: "Die Testung und die Anzahl der Testung führt überhaupt dazu, dass wir eine Pandemie haben", so Höcke am Rande des AfD-Parteitages in Dresden. Im Bundestag dagegen hält die AfD der Regierung vor, die Tests verschlafen zu haben. Gegensätzliches und Widersprüchliches findet sich bei der AfD so wie bei den anderen Parteien auch -, mit dem Unterschied, dass die AfD die Gefahren der Pandemie nach wie vor leugnet, die Notwendigkeit staatlicher Maßnahmen bestreitet, dahinter geheime Absichten vermutet und den Umgang mit dem Virus individualisieren will. In der vom Parteitag verabschiedeten Corona-Resolution heißt es, es soll "den mündigen Bürgern überlassen bleiben, in welchem Maße sie sich selbst schützen möchten." Vor dem Hintergrund der sozial ungleichen Gefährdung durch COVID 19 und den Folgen, die für die subalternen Klassen sehr viel höher sind (oxfam_factsheet_ungleichheitsvirus_deutsch.pdf <https://www.oxfam.de/system/files/documents/oxfam_factsheet_ungleichheitsvirus_deutsch.pdf> ), ist das Ausdruck von Sozialdarwinismus.

In der ersten Lesung zur geplanten Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes (sog. Notbremse) verdeutlicht Alice Weidel diese Position: "Sie misstrauen den Bürgern; deswegen wollen Sie sie tagsüber gängeln und nachts einsperren. Sie misstrauen den Ländern und Kommunen. Deswegen legen Sie die Axt an die Wurzeln der föderalen Architektur der Bundesrepublik und entmachten Ministerpräsidenten, Landräte und Bürgermeister per Bundesgesetz." (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 222. Sitzung, S. 28104) Auch Weidel unterstellt, es ginge bei der Corona-Politik gar nicht um die Bekämpfung der Pandemie, sondern um geheime Ziele, die von ihr zwar nicht benannt werden, die sie aber mit den AfD-Feindbildern "Ausländer" und Kriminelle verbindet: "Ginge es Ihnen tatsächlich in erster Linie um die Pandemiebekämpfung, hätten Sie längst geeignete und zielgerichtete Maßnahmen ergreifen können (...). Sie wollen mit diesem Gesetz etwas anderes: den endlosen Bundes-Lockdown, obwohl fünf Monate Wellenbrecher-Lockdown mehr als genug gezeigt haben, dass dieses primitive Rezept überhaupt nicht funktioniert. (...) Die Bürger verlieren das Vertrauen in einen Staat, der mit Polizeikommandos Rentnergeburtstage stürmt und Kinder vom Bolzplatz jagt, aber Drogenhändler im Park gewähren lässt. Die Bürger verlieren das Vertrauen in einen Staat, dessen Polizisten Erholungssuchende in Parks mit Zollstöcken schikanieren, aber bei Clangroßhochzeiten untätig danebenstehen müssen." (Ebd.) Dass die Polizei bei vielen Corona-Leugner-Demos trotz Missachtung sämtlicher Auflagen untätig zusah, wird von Weidel natürlich nicht kritisiert.

Der Abgeordnete Thomas Seitz hat weitergehende Vermutungen zu den "geheimen Absichten" der Regierenden: "Diese simplen Fakten, die Chronik Ihres Versagens, wollen Sie verschleiern. Warum? Nur um sich selbst als Retter aus der Not darzustellen. Dazu brauchen Sie Angst und Panik. Nichts soll nach Normalität aussehen. In Wahrheit haben Sie nicht Angst vor den hässlichen Bildern - oh nein! -, Sie fürchten die schönen Bilder: die rodelnden Kinder, die Menschen beim Spazieren und Bummeln, Schlittschuhläufer, Badegäste, Biergarten und Straßencafé. Diese Bilder fürchten Sie. 'Deutschland. Aber normal' - das fürchten Sie! Sie schüren Angst und Panik. Sie inszenieren den Notfall, um als Retter in der Not dazustehen. Es geht bei Ihnen nicht um Inzidenzwerte, sondern nur um Ihre eigenen Umfragewerte (...)." (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 221. Sitzung, S. 27929)

Sollte das tatsächlich die geheime Strategie der Regierung sein, so ist sie bisher gründlich schief gegangen. Auch bleibt es das Geheimnis der AfD, warum eine dem Kapital verpflichtete Regierung das Land ohne Not in Rezession und wirtschaftliche Krise stürzen sollte. Verschwörungsideologen wie Karsten Hilse können dahinter nur "die Quasiabschaffung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung" vermuten und den Ruf "Verhindern wir den Staatsstreich!" anstimmen. (Ebd., S. 27995)

Wie sich die AfD den "mündigen Bürger" vorstellt, macht Martin Sichert deutlich und gibt damit einen Einblick, wie die AfD gegenüber ihrem Publikum argumentiert: "Wenn ein vollkommen Gesunder seine Kleidung nicht im Supermarkt, sondern im Bekleidungsgeschäft kaufen möchte, dann muss er einen negativen Test vorweisen. Angenommen, er wird positiv getestet, will aber trotzdem in das Bekleidungsgeschäft, dann macht er also drei weitere Tests an verschiedenen Teststationen, bis er einen negativen Test hat. Durch die drei positiven Tests erhöht er den Inzidenzwert, in den nun drei zusätzliche Fälle einfließen. Wenn er auf dem Weg zum Bekleidungsgeschäft nun einen Unfall hat und deswegen auf die Intensivstation muss, ist er ein Coronaintensivpatient, und wenn er an dem Unfall stirbt, dann ist er sogar ein Coronatoter, und das, obwohl Corona mit seinem Tod oder seiner Verletzung überhaupt nichts zu tun hat. Das, meine Damen und Herren, ist absolut unseriös." (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 222. Sitzung, S. 28174)