Herausforderungen für die Trinkwasserversorgung in Deutschland

Dr. Klaus Ripl, BO Südost

Liebe Genoss*innen,

am 22. Juni fand das alljährliche Mülheimer Wassertechnische Seminar (MWTS) statt - die Veranstaltung wird vom IWW aus Mülheim an der Ruhr finanziert. Das IWW Zentrum Wasser zählt zu den führenden Instituten in Deutschland für Forschung, Beratung und Weiterbildung in der Wasserversorgung und ist ein An-Institut der Universität Duisburg-Essen. Ich möchte euch kurz auf dem Laufenden halten zum Stand der Wasserversorgung in Deutschland.

Übergeordnete Themenschwerpunkte waren diesmal Ressourcenknappheit, -verteilung und belastung bzgl. der Trinkwasserbereitstellung. Generell ist die Situation in Deutschland bzgl. der Qualität der Grundwasserleiter zur Trinkwassergewinnung angespannt (Nitrat, Pestizide/Spurenstoffe), gerade auch in Niedersachsen. 65 % des Trinkwassers in Deutschland wird aus Grundwasser gewonnen  Der Interessenkonflikt zwischen landwirtschaftlicher Intensivproduktion und Ressourcenschutz zur Trinkwassergewinnung ist weiterhin nicht gelöst – knapp 30 Jahre nachdem die EU Deutschland erstmals ermahnt hat. Schwerpunktmäßig sind weiterhin die Wasserversorger im Fokus, wenn es um die praktische Sicherung der Rohwasserressourcenvor Ort geht – neben der vielkritisierten Düngemittelverordnung zur Reduzierung der Nitrateinträge und dem (Bundes-) Wasserhaushaltsgesetz mit Bestimmungen über den Schutz und die Nutzung von Oberflächen und Grundwässern gibt es aber augenscheinlich keine klare praktische Handhabe das eindeutige Primat des Schutzes der Trinkwasserressourcen zusammen mit dem Umweltschutz gegen alle weiteren Nutzungsarten (Bergbau, Kühlwasser/Industrie, Landwirtschaft, Freizeitnutzung) durchzusetzen.

Aufgrund der mehrjährigen Trockenheit sind die Wasserressourcen im Lande regional unterschiedlich unter Druck. Der Trinkwasserbedarf ist hoch und in der Landwirtschaft muss häufiger bewässert werden. Die Talsperren im Harz z. B. sind im Mai 2021 teilweise nur zu 50 % gefüllt. (Die Harzwasserwerke beliefern anteilig u.a. Hannover, Bremen, den Bereich Syke und den Raum Wolfsburg.) Der Boden ist ausgetrocknet und die Grundwasserstände sind signifikant abgesunken. Aus meiner subjektiven Wahrnehmung heraus ist im Moment jeder Wasserversorger damit beschäftigt seine vorhandenen Rohwasserressourcen zu prüfen und ggf. zu erweitern. In der Vergangenheit sind wasserrechtliche Genehmigungen zur Entnahme von Rohwasser hingegen auch mal ohne Fortführung abgelaufen. Der bisherige Ansatz, lokale Ressourcen lokal zu nutzen wird immer schwieriger. Es deutet sich an, dass eine regionale und überregionale Versorgung (Fernwasserversorgung) zunehmen wird, wie auch die Zusammenarbeit zwischen Versorgern. Teilweise läuft dieser Prozess bereits, z. B. bei der Wasserversorgung von Frankfurt am Main. Widerstände in der Bevölkerung und bei Umweltverbänden sind zu erwarten (siehe z.B. den Konflikt um Coca Cola in Lüneburg).

Zusätzlich muss auf Ressourcen zurückgegriffen werden, die bisher gemieden wurden, z. B. aufgrund zu hoher Nitrat-, Eisen- und Sulfatwerte. Vom Ideal eines minimal aufbereiteten Trinkwassers aus unbelasteten Ressourcen wird man sich also ein stückweit entfernen. Dies erfordert ein intensiveres Monitoring, ein besseres Verständnis der hydrogeologischen Verhältnisse des Grundwasserkörpers bzw. Flusseinzugsgebietes und verbesserte Aufbereitungstechnologien. Im Fokus sind z. B. Verfahren mit Ionenaustausch, Aktivkohle, Membranfiltration, Umkehrosmose und erweiterten Oxidationsprozessen, die zu deutlich höheren Trinkwasserpreisen führen können.

Neben technischen Aspekten ist festzustellen, dass „dem Wasser sein Wert zurückgegeben“ werden muss. Ressourcenschutz und Trinkwasserbereitstellung sind zentrale Elemente der Daseinsvorsorge und eine generationenübergreifende Aufgabe. Das Bundesministerium für Umwelt hat deshalb die Nationale Wasserstrategie im Juni 2021 vorgestellt, die darauf einen Schwerpunkt setzt. Die europäischen Wasserversorger haben sich ab 1975 in EurEAU zusammengeschlossen, der europäischen Vereinigung der nationalen Verbände in der Wasserver- und Abwasserentsorgung. Mit einer starken Stimme soll der neue „europäische Grüne Deal“ der EU-Kommission begleitet werden. Der europäische Grüne Deal umfasst einen Aktionsplan zur Förderung einer effizienteren Ressourcennutzung durch den Übergang zu einer sauberen und kreislauforientierten Wirtschaft und zur Wiederherstellung der Biodiversität sowie Bekämpfung der Umweltverschmutzung. Bereits 2007 wurde EU-weit die REACH-Verordnung erlassen, mit der Chemikalien zentral registriert, bewertet und zugelassen werden.

Herzliche Grüße
Klaus Ripl