1. Mai im Sinne Kurt Schwitters: "Hannover - Vorwärts nach weit!“ [Update 6.5.]

Ingo Jäger, Karsten Plotzki, Martin Teicher, KV Hannover

10 Punkte der Partei Die Linke Hannover zum 1. Mai 2020 in Zeiten der Coronakrise

Die Pandemie hat zu einem umfangreichen Kontaktverbot geführt, das mit Fürsorge und Rettung von Menschenleben begründet wird. Die Gesundheit soll Vorrang haben! Das ist begrüßenswert und wir möchten diese Schwerpunktsetzung gerne unterstützen. Die Krise verstehen wir als Zeit der Besinnung und Chance für eine sozialökologische Weiterentwicklung unserer Gesellschaft. 

Zur Bewältigung der Corona- und Wirtschaftskrise fordert DIE LINKE auf Bundesebene die Wiedereinführung der Vermögenssteuer für Superreiche und eine Stärkung des öffentlichen Eigentums gemäß Artikel 15 des Grundgesetzes.

Zahlreiche Entscheidungen sind noch offen, greifen zu kurz oder gehen gar in die falsche Richtung. Eine Bestandsaufnahme mit Forderungen zur Verbesserung:

(1) Am 07.04.2020 trat die COVID-19-Arbeitszeitverordnung der Minister Heil (SPD) und Spahn (CDU) in Kraft. Demnach „dürfen“ systemrelevante Beschäftigte krisenbedingt bis
zu 12 Stunden täglich arbeiten. Ihre Mindestruhepause wurde entsprechend von 11 auf 9 Stunden gekürzt.
► Das ist der falsche Weg!
Längeres Arbeiten, insbesondere in einer belastenden Arbeitsumgebung, führt zu erhöhtem Stress, Ermüdung und Erschöpfung, was wiederum das Immunsystem schwächt und so neben „Burn-out“ auch Infektionskrankheiten begünstigt, die jedoch vermieden werden sollten.
► Wir fordern deshalb:
✔ Arbeitszeitverkürzung auf 30-Stunden pro Woche
✔ Wiederherstellung der Tarifbindung
✔ Eine Anti-Stress-Verordnung!
✔ Umfassende Mitbestimmungsrechte für Betriebs- und Personalräte bei Personaleinsatz, Zielvorgaben und Arbeitsplanung!
✔ Verbot von Überstunden ohne Bezahlung!

(2) Arbeiter*innen in Einzelhandel, Pflege und Gesundheit sind als systemrelevant entdeckt worden, erhalten viel Zuspruch und vereinzelt auch einen finanziellen Bonus. 
► Eine Bonuszahlung ist ein erster Schritt, jedoch nicht nachhaltig.
Die Minister Spahn oder Altmeier haben keine Verbesserung gebracht. Es wurden zu wenig Stellen geschaffen. Die Beschäftigten sind nach wie vor überlastet. Viele hängen
deshalb ihren Beruf vorzeitig an den Nagel.
► Wir fordern deshalb:
✔ Pauschal 500 Euro mehr Grundgehalt!
✔ Schutzmasken für alle!
✔ Mindestlohn von 13€
✔ 100.000 zusätzliche Pflegekräfte in den Krankenhäusern plus 100.000 in der Altenpflege – mindestens!
✔ Weg vom 2-Klassen-Gesundheitssystem hin zur solidarischen Gesundheitsversicherung!
✔ Krankenhausschließungen und Kurzarbeit verhindern!
✔ Die Rekommunalisierung der privaten Krankenhäuser!

(3) Die Spitzen von CDU, CSU und SPD haben in der Nacht zum 23.04. beschlossen, das Kurzarbeitergeld auf bis zu 80 bzw. 87 % des Nettogehalts aufzustocken. 
► Das ist eine Verbesserung um bis zu 20 Prozentpunkte, jedoch sozial unausgewogen und nicht ausreichend, um die Beschäftigten vor der Zerstörung ihrer Existenz zu bewahren.
Unsere Nachbarländer, wie Dänemark, die Niederlande oder Österreich sichern ihre Beschäftigten besser ab. So zahlt Österreich gestaffelt 80%, 85% bzw. für Netto-Einkommen bis 1700€ sogar 90%.
► Wir fordern deshalb:
✔ Die Erhöhung des Kurzarbeitergeldes rückwirkend zum 1. März 2020 auf mindestens 90% des Nettoentgelts, für Beschäftigte mit Mindestlohn 100%!
✔ Refinanzierung des Kurzarbeitergeldes über die Unternehmen sicherstellen, die trotz Förderung ihre Gewinne, durch Dividenden oder Ausgabe von hohen Bonuszahlungen ausschütten.
✔ Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen für mindestens ein Jahr bei Betrieben, deren Mitarbeiter*innen Kurzarbeitergeld beziehen.

(4) Vom Kurzarbeitergeld sind zahlreiche Gruppen ausgenommen, wie Erwerbslose, Solo-Selbstständige oder Student*innen. Letztere haben mit dem pandemiebedingten Wegbrechen von existenzsichernden Nebenjobs zu kämpfen. Weiterhin ist für Eltern durch die Schließung von Einrichtungen keine Entlastung in Sicht.
► Wir fordern deshalb:
✔ Student*innen sollen in Grundsicherung bzw. Hartz IV einbezogen werden.
✔ Gleichzeitig Erhöhung der Regelsätze um 100€ sowie eine zusätzliche Zahlung von 200€ zur Bewältigung der Mehraufwendungen durch die Coronakrise.
✔ Ein Corona-Elterngeld für die, die wegen Kita- und Schulschließungen nicht arbeiten können und zur Betreuung der Kinder zu Hause bleiben müssen!

(5) 2018 galten in Hannover 4000 Menschen als wohnungslos, Tendenz steigend. Die beiden wichtigen Empfehlungen: "Bleibt zuhause!" und "Haltet Abstand!" – lassen sich
für Obdachlose und Geflüchtete schlichtweg nicht realisieren. 200 davon sollen jetzt in der Jugendherberge Nähe Stadionbrücke untergebracht werden.
► Dies ist ein begrüßenswerter erster Schritt, jedoch bei weitem nicht ausreichend.
► Wir fordern deshalb:
✔ Dringend müssen mehr Kapazitäten geschaffen und Sammelunterkünfte aufgelöst werden. Wir haben genug Platz!
✔ Wohnungslose und Geflüchtete sollten einzeln in leeren Wohnungen, Businessapartments, Ferienwohnungen und Hotelzimmern untergebracht werden.

(6) Für Mieter*innen, die ihre Rechnungen in der Coronakrise nicht zahlen können, drohen Energie- und Wassersperren sowie Zwangsräumungen. Das Landgericht Berlin hat letzteres
bis 30. Juni ausgeschlossen. Auch haben sich die Verbände um die Wohnungswirtschaft auf verschiedene Maßnahmen geeinigt, wie z.B. Mietzahlungen zu stunden. Der Verband
kommunaler Unternehmen (VKU) hat mitgeteilt, dass seine Mitgliedsunternehmen "fast ausnahmslos" keine Sperrungen vornehmen.
► Das sind gute Ansätze, doch ist das derzeitige Problem nur zeitlich verschoben.
Unternehmen wie Vonovia, Deutsche Wohnen & Co können die vorübergehenden Gewinneinbußen durch den Verzicht auf Boni und Dividendenzahlungen gut verkraften.
► Wir fordern deshalb:
✔ Einnahmestarke Großvermieter*innen an den Krisenkosten beteiligen!
Einen sofortigen Mietenstopp und eine Verlängerung während der gesamten Zeit der Pandemie.

(7) Eine Harvard-Studie zeigt, dass das Sterblichkeitsrisiko an COVID19 statistisch mit jedem zusätzlichen Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft zusätzlich um 15 Prozent steigt. Italienische, französische und britische Wissenschaftler*innen gehen sogar davon aus, dass Luftverschmutzung das Risiko für eine Sars-CoV-2-Ansteckung erhöht. Andere Städte, wie Berlin, Wien, Wiesbaden oder Köln gehen voran und richten faire Straßen ein, die neben einer Verbesserung der Luft auch social-distancing unterstützen.
► Der im vergangenen Jahr gewählte OB Belit Onay hatte eine autofreie Innenstadt angekündigt, die auch zu einer besseren Luftqualität führen soll. Nach mehr als 100 Tagen ist es bei den Ankündigungen geblieben. Das mag an der zum Glück überstandenen COVID19 Krankheit des OB liegen und den eingeschränkten Rats- und Bezirksratsitzungen.
► Wir fordern deshalb:
✔ Dringend saubere Luft in Hannover!
✔ Dazu muss der fossile Verkehr auf „0“ reduziert und der kostenfreie ÖPNV sowie der Radverkehr ausgebaut und gestärkt werden.
✔ Einrichtung von Begegnungszonen nach Wiener Vorbild auf Nebenstraßen!

(8) Seit 2015 will die Ratsmehrheit mehr Platz für Firmen und auch die MHH schaffen. In dem Zuge wurden bisher 220 Kleingärten und 146 Grabelandparzellen gekündigt. Zudem stehen weitere 630 Kleingärten durch das Kleingartenkonzept 2016-2025 der Stadt Hannover zur Disposition.
► Die Coronakrise zeigt: Dies ist der falsche Weg.
So schrieb die HAZ am 08.04., dass die Bewerbungen um leerstehende Gärten stark gestiegen sei. Sich mit den Kindern im Garten austoben zu können, ist momentan ein
Privileg der Eigenheimbesitzer*innen. In der Coronakrise bieten Kleingärten einen wichtigen Ausgleich zu den eigenen vier Wänden. Sie bieten auch einen wichtigen ökologischen Gegenpol zu den betonierten Wohnanlagen unserer Stadt, wo Widerstandsfähigkeit für Krisen entstehen kann.
► Wir fordern deshalb:
✔ Die Kündigungen umgehend zurücknehmen!
✔ Kleingärten erhalten und neue Flächen ausweisen!

(9) Hannover ist auch ein wichtiger Standort der Automobilindustrie. Zum Wiederanlauf und Erhöhung der Nachfrage wird bereits wieder über eine Abwrackprämie gesprochen.
► Dies ist der falsche Weg. Angekündigte Managerboni und Dividendenzahlungen drohen staatliche Gelder in die falschen Töpfe zu lenken.
► Wir fordern deshalb:
✔ Staatliche Förderungen sollen als Öko- und Sozialbonus, sprich als Belohnung und Anreiz ausgegeben werden.
✔ Kreativität nachhaltiger Produktion fördern, die Arbeitsplätze für die Zukunft sichern und entstehen lassen.

(10) Hannover will Kulturhauptstadt 2025 sein. Die Bewerbung hat jetzt das Finale erreicht und während der Coronakrise sollen wir Kunst und Kultur von der Couch genießen.
Gleichzeitig sind Baumärkte oder ist die Markthalle geöffnet.
► Das ist zu wenig.
► Wir fordern deshalb:
Unter strikter Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln:
✔ Öffnung der kulturellen Einrichtungen in der Region, wie Museen, Zoo oder Herrenhäuser Gärten kostenfrei für alle!


Diese 10 Punkte können leicht finanziert werden, denn Geld ist genug da, nur falsch verteilt. Eine Vermögensabgabe analog zum adenauerschen Lastenausgleich ist hier wesentlich sowie die Forderung nach Wiedereinführung der Vermögenssteuer für Superreiche und eine Stärkung des öffentlichen Eigentums gemäß Artikel 15 des Grundgesetzes.


[Update 6.5.]

Im Webseite-Bereich Aktionen sind Fotos von unserem Stand mit DIDF vom 1. Mai dargestellt.

https://www.dielinke-hannover.de/aktionen/1-mai-2020/