Zu Corona und der Notwendigkeit flächendeckender ArbeitnehmerInnenberatung

Rolf Geffken

Corona bedroht uns alle. Auch mich als Freiberufler. Eben noch waren wir dabei, uns wieder hochzurappeln (anders als andere muß ich wegen der fehlenden Möglichkeit des Rentenbezugs ja "weitermachen"), da erwischten uns Kontaktverbote und Reiseeinschränkungen. Sollte die Pandemie länger andauern, ist auch meine berufliche Existenz gefährdet. Aber darum geht es nicht. Ich wäre kein Linker und erst Recht kein Marxist, wenn ich meine Lage zum allgemeinen politischen Maßstab machen würde. Was Freiberufler von Arbeitnehmern in dieser Krise unterscheidet, das ist der einfache Umstand, daß Freiberufler und Gewerbetreibende zZ wissen müssen, wo und wie sie Anträge auf Leistungen aus den diversen Schutzschirmen stellen. Da kann man Adressen geben und Anträge formulieren und Schluß. In Hamburg erfolgten Zahlungen recht zeitnah. Und bei den "Transferempfängern" wie Rentnern und Hartz IV-Empfängern ist die Situation bei Corona noch "einfacher": Für sie ä n d e r t sich gar nichts. Ihre Lage ist ggf. genauso prekär wie vor der Krise, aber sie brauchen keine b e s o n d e r e Beratung. Bei Flüchtlingen ist es zumindest anders, was die Lage in Sammelunterkünften betrifft. Dort sind diese wie wir wissen, besonders bedroht. Und das verlangt deshalb auch besondere Unterstützung. Bei den Leistungen aber ändert sich auch dort nichts.

Wie aber ist es bei den Arbeitnehmern ? Grundlegend anders. Und es ist eigentlich traurig, daß man darauf als Linker noch ausdrücklich hinweisen muß. Auf die Beschäftigten stürzen jetzt eine Vielzahl von Problemen ein. Es geht um Kündigungsdrohungen oder sogar tatsächliche Kündigungen, um die Weigerung des Arbeitgebers für ausreichende Schutzmaßnahmen zu sorgen, um rechtswidrige Zwangsbeurlaubungen, den Verweis auf angeblich mögliche "Krankschreibungen", die Nichteinhaltung von Abstandsregeln gegenüber Kollegen und Kunden und und und... Ich berichte darüber in meinem Beitrag. Viel wichtiger aber ist, daß es mit der Beratung von Arbeitnehmern nicht - wie bei Freiberuflern und Hartz-IV Empfängern - "getan" ist. Im Gegenteil: Die Betroffenen nehmen ihre Rechte zum großen Teil nicht wahr. Sie haben Angst. Freiberufler, Rentner und Hartz IV-Empfänger hingegen müssen in dieser Lage k e i n e zusätzliche Angst haben. Die Beschäftigten haben Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes u n d sie werden zum Teil mit unglaublichen Fehlinformationen der Arbeitgeber über den Tisch gezogen. Das Problem sind gar nicht die Regeln und die Gesetze. Das Problem ist, daß diese in den Betrieben nicht vollzogen sind. Herr Heil tönt, er habe wieder irgendwas veranlaßt, aber keiner schaut, was davon in den Betrieben ankommt. Unterdessen wird sogar an nachhaltigen Verschlechterungen der Gesetze gearbeitet.

Fazit: Es gibt in diesen Tagen einen grundlegenden Unterschied zwischen der Beratung für alle möglichen Bevölkerungsgruppen einerseits und der für Arbeitnehmer andererseits. Den Beschäftigten müssen wir vor allem MUT machen und zeigen, daß man gegen die Einschränkung der Rechte kämpfen kann. Den anderen geben wir Hinweise und gut ist es. Es ist schlimm, daß dies in der Linken überhaupt nicht gesehen wird. Verschiedene Bundestagsabgeordnete haben jetzt zu Beratungen und Videokonferenzen zugunsten von Selbständigen aufgerufen, zB Diether Dehm gemeinsam mit Hans Hennig Adler, ebenso Victor Perli mit einer Liste von Hinweisen, wie man helfen kann. Ich finde das richtig. ABER DAS REICHT NICHT ! 

Was geschieht mit den Arbeitnehmern ? Ganz einfach: Da heisst es wieder mal "geh zu Deiner Gewerkschaft", oder "frag Deinen Betriebsrat". Wir hatten darüber bereits beim Thema "Umgang mit dem Arbeitsrecht" in "Unikat" gesprochen: Die Gewerkschaften sind in der Fläche kaum noch präsent und Betriebsräte gibt es immer weniger. Vor allem aber: In dieser Krise ist die Präsenz und die Handlungsfähigkeit von Gewerkschaften u n d Betriebsräten noch weiter eingeschränkt. Sie existiert oft gar nicht. Und da überlassen wir die Beratung von Arbeitnehmern w e m ? Wir konzentrieren uns auf Selbständige und Sozialleistungsempfänger und sehen gar nicht, w e r der Hauptleidtragende der jetzigen Situation ist und w e r vor allem als Subjekt des Handelns ins Spiel gebracht werden muß ! Täuschen wir uns nicht: Das was da in den Betrieben passiert wird nachhaltige Auswirkungen für uns a l l e haben. Die Voraussetzungen für ein "Notstandsarbeitszeitrecht" wurden bereits geschaffen und der 10-12-Stunden-Tag steht vor der Tür. Das wäre ein Rückschritt zu 100 Jahren zuvor !!!!

Deshalb laßt uns für flächendeckende Arbeitnehmerberatungen zu Corona eintreten. Ich weiß, daß das erst mal auf keine Gegenliebe stößt. Aber es muß wenigstens allen klar sein, was das B e s o n d e r e an der Lage der Beschäftigten j e t z t ist. So lange noch Zeit ist.....